Fahnenaktion sorgt für Diskussionen
In mehreren britischen Städten sind in den vergangenen Wochen vermehrt Nationalflaggen an privaten Häusern, in Gärten und sogar an Laternenmasten aufgetaucht. Hinter der Aktion steht eine lose organisierte Gruppe, die sich im Internet unter dem Namen „Operation Raise the Colours“ zusammengeschlossen hat. Über soziale Netzwerke wie Facebook oder X rufen die Initiatoren dazu auf, den Union Jack oder das englische Georgskreuz sichtbar im öffentlichen Raum zu platzieren.
Fotos von flatternden Flaggen verbreiten sich online, begleitet von Kommentaren, die patriotische Gefühle betonen. Mancherorts wurden die Symbole sogar auf Straßen, Zebrastreifen und Kreisverkehre gemalt – oft in Nacht- und Nebelaktionen.
Behörden greifen ein
Während manche Kommunen die Aktion dulden, reagieren andere entschieden. In Tower Hamlets, einem Stadtteil von London, wurden die Fahnen umgehend entfernt. Ein Sprecher des Stadtrats erklärte: „Wir erkennen an, dass Menschen ihre Meinung äußern möchten. Gleichzeitig tragen wir die Verantwortung, gemeindeeigene Infrastruktur zu schützen. Flaggen ohne Genehmigung können daher im Rahmen routinemäßiger Wartungsarbeiten entfernt werden.“
Auch in Birmingham wurden Hunderte Flaggen wieder abgehängt – offiziell aus Sicherheitsgründen. Dieser Schritt löste jedoch Kritik aus, da in denselben Stadtteilen zuvor monatelang palästinensische Flaggen geduldet worden seien.
Politische Brisanz der Aktion
Ob die Kampagne gezielt von rechtspopulistischen Gruppen gesteuert wird, ist unklar. Auffällig ist jedoch, dass Unterstützer des bekannten Rechtsextremisten Tommy Robinson die Aktion in sozialen Medien lobten und teilten. Auch Anhänger der Reform-Partei von Nigel Farage signalisierten Zustimmung. In Gemeinden, in denen Vertreter dieser Partei Einfluss haben, blieben die Flaggen meist hängen.
Kritiker wie die Organisation Stand Up to Racism warnen vor einer Vereinnahmung patriotischer Symbole durch extreme Kräfte. Sprecher Lewis Nielsen sagte: „Wir sind besorgt, dass die Diskussion um die englische Flagge dem Rassismus der extremen Rechten Vorschub leistet. Diese Bewegung ist gefährlich, besonders jetzt, da die rechte Szene versucht, stärker Fuß zu fassen.“
Spendenaktionen und begrenzte Reichweite
Einige lokale Gruppen versuchen, durch Crowdfunding weitere Flaggenaktionen zu finanzieren. So sammelt die Initiative „Wythall Flaggers“ Geld, um jede Straße ihres Ortes mit dem Georgskreuz zu schmücken. Bisher kamen jedoch nur rund 2200 Pfund zusammen, und die Facebook-Gruppe von „Operation Raise the Colours“ zählt lediglich knapp 1400 aktive Mitglieder.
Premierminister Starmer meldet sich zu Wort
Die Debatte erreichte nun auch die Politik. Premierminister Keir Starmer äußerte sich vorsichtig, betonte aber seine grundsätzliche Unterstützung: „Absolut. Wir haben rund um die Downing Street Flaggen gehisst, jedes Mal, wenn die englischen Fußballmannschaften antreten und für uns spielen.“
Ein Sprecher des Regierungschefs ergänzte: „Der Premierminister ist stolz, ein Brite und ein Patriot zu sein. Patriotismus wird für ihn immer wichtig sein.“ Damit stellte sich Starmer indirekt hinter die Befürworter der Fahnenaktionen, ohne jedoch auf die Konflikte in einzelnen Städten einzugehen.
Historischer Hintergrund
Die Diskussion um Nationalflaggen ist im Vereinigten Königreich nicht neu. Bereits während der Brexit-Debatte hatten Demonstranten Symbole wie das Union Jack an öffentlichen Plätzen angebracht. Der aktuelle Streit zeigt, wie stark Patriotismus und nationale Identität auch heute politische Spannungen auslösen können – und wie schwer es ist, zwischen friedlichem Symbolgebrauch und politischer Instrumentalisierung zu unterscheiden.