Politisches Beben in Paris
Frankreich steckt erneut in einer schweren Regierungskrise. Premierminister Sébastien Lecornu hat nach nur vier Wochen im Amt überraschend seinen Rücktritt erklärt. Präsident Emmanuel Macron nahm die Entscheidung an – und steht nun vor der Aufgabe, bereits den sechsten Regierungschef innerhalb von zwei Jahren zu ernennen. Der Rücktritt kommt nur einen Tag, nachdem Lecornu die Ressortverteilung seiner neuen Regierung bekannt gab und damit heftige Konflikte mit den konservativen Républicains auslöste.
Der Parteivorsitzende und Innenminister Bruno Retailleau zeigte sich empört über die Zusammensetzung des Kabinetts. „Wir fühlen uns marginalisiert und nicht ausreichend vertreten“, ließ Retailleau verlauten. Seine Partei habe ein Drittel der Ministerposten gefordert – ein Wunsch, den Lecornu ignoriert habe. Noch vor der für Montag angesetzten Krisensitzung der Republikaner reichte der Premier seinen Rücktritt ein.
Machtkampf im Zentrum der Regierung
Die Spannungen innerhalb der Regierungskoalition zwischen Macrons Mitte-Lager und den Konservativen spitzten sich damit dramatisch zu. Medienberichten zufolge sorgte besonders die überraschende Ernennung des ehemaligen Wirtschaftsministers Bruno Le Maire zum neuen Verteidigungsminister für Entrüstung. Die Republikaner fühlten sich übergangen und sprachen von einem „Bruch des politischen Gleichgewichts“.
Lecornu, der als loyaler Vertrauter Macrons galt, hatte gehofft, die fragile Regierungsmehrheit zu stabilisieren. Stattdessen hat sein Rücktritt die politische Unsicherheit noch verstärkt – ein Umstand, der auch an den Finanzmärkten nicht spurlos vorüberging.
Börsenschock: CAC-40 stürzt ab
An der Pariser Börse herrschte Panikstimmung. Der CAC-40-Index fiel um 1,5 Prozent und gehörte damit zu den schwächsten europäischen Leitindizes. Besonders hart traf es die Bankenbranche: Die Aktien von Société Générale brachen um 6,7 Prozent ein, BNP Paribas verlor 3,4 Prozent, und Crédit Agricole gab 2,9 Prozent nach.


Anleger reagierten nervös auf die steigende politische Instabilität – und auf den Anstieg der französischen Zehnjahresrendite auf 3,56 Prozent, den höchsten Stand seit Monaten.

„Die politische Unsicherheit bleibt hoch“, kommentierte ein Marktbeobachter in Paris. Investoren fürchten, dass die Krise die Finanzpolitik Frankreichs weiter lähmt und Reformprojekte auf Eis legt.
Macron unter wachsendem Druck
Für Präsident Macron bedeutet Lecornus Rücktritt einen herben Rückschlag. Bereits zweimal in diesem Jahr musste er einen neuen Premierminister ernennen – beide Male endeten die Amtszeiten in kurzer Zeit. Nun steht der Präsident vor einer schwierigen Entscheidung: Entweder er ernennt erneut einen Premier aus dem eigenen Lager, riskiert damit jedoch eine erneute Spaltung, oder er wagt den Schritt zu Neuwahlen, um eine stabile Mehrheit im Parlament zu schaffen.
Die Krise trifft Frankreich in einer wirtschaftlich angespannten Phase. Mit einer Staatsverschuldung von rund 3,3 Billionen Euro ist das Land das am stärksten verschuldete Mitglied der Europäischen Union. Politische Blockaden und steigende Zinsen könnten die Haushaltslage weiter verschärfen.
Finanzmärkte im Alarmmodus
Die Finanzmärkte beobachten die Situation mit zunehmender Nervosität. Analysten warnen, dass ein anhaltendes Machtvakuum das Vertrauen internationaler Investoren in Frankreich schwächen könnte. Banken gelten dabei als besonders anfällig, da sie unmittelbar von Schwankungen am Anleihemarkt betroffen sind.
Während die Renditen steigen, geraten Kreditzinsen und Refinanzierungskosten unter Druck – ein Risiko für die ohnehin geschwächte französische Wirtschaft.Mit dem Rücktritt Lecornus steht Frankreich einmal mehr vor einer politischen Zerreißprobe, deren Folgen weit über Paris hinausreichen.